Abstracts Panel VII

Samstag, 16.06.2018, 12.20-12.55 Uhr

 

Gesellschaftstheorie

Luisa Lemme (Uni Potsdam)
Anforderungen an politische Legitimation im gesellschaftlichen Wandel und dessen Verhältnis zum politischen Lernen

Wandel- und Veränderungsprozesse werden nicht selten als Krisen verhandelt (Merkel und Krause
2015). Politische Krisen ihrerseits verweisen letztlich auf eine Problemlage im politischen Handeln,
und gefährden dessen Legitimation. Im aktuellen Diskurs zeichnet sich eine solche Krisenhaftigkeit
insbesondere über eine beobachtete Entfremdung ab: Die etablierte (ursprünglich legitimierte)
Politik und die Bevölkerung scheinen auseinander zu driften (vgl. Alemann et al. 2011). Die Beobachtung derartiger Phänomene gesellschaftlichen Wandels und die Frage, inwieweit politische Bildung auf diese reagieren kann und sollte, weist so auch auf Fragen an das Verhältnis von politischer Bildung und politischer Legitimation (vgl. Detjen 2013). Hier bewegt sich politische Bildung in einem Spannungsfeld zwischen dem Wunsch affirmativer Zuwendung zur demokratischen Grundidee und politischer Selbstbestimmung (vgl. Lange 2009). Der Beitrag nimmt dieses Spannungsfeld zum Anlass sich grundsätzlich mit Verstehensweisen poitischer Legitimation im aktuellen politischen Diskurs auseinanderzusetzen und diese auf politisches Lernen zu beziehen. Hier stellt sich eine Verstehensweise von politischer Legitimation als Begründen und Bewerten politischen Handelns, das sich am kommunikativen Austausch von legitimationsbegründenden Normen orientiert (vgl. Kielmansegg 1997), als fruchtbar heraus. In diesem Austausch kann ein ähnlicher Modus wie beim politischen Urteilen ausgemacht und der gemeinsamen Frage, welche legitimationsbegründenden Normen auf subjektiver Ebene bedeutsam sind, empirisch nachgegangen werden. Hierzu genutzt werden die Ergebnisse einer standardisierten Befragung mit deskriptiv statistischer Auswertung. Die Befunde zeigen ein differenziertes Bild, aus dem sich eine Notwendigkeit zur reflexiven Betrachtung dieser Normen in entsprechenden politischen Lernsituationen ergibt.

Literatur:

  • Von Alemann, U. / Kleves, J. / Raub, C. (2011): Die Bürger sollen es richten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 61 (44-45), 25-32.
  • Detjen, J. (2013): Politische Bildung. Geschichte und Gegenwart in Deutschland. München.
    Kielmansegg, P. G. (1997): Legitimität als analytische Kategorie. In: Seibel, W. / Medick-Krakau, M. / Münkler, H. / Greven, M. T. (Hrsg.): Demokratische Politik - Analyse und Theorie. Politikwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen und Wiesbaden, 62-96.
  • Lange, D. (2009): Bürgerbewusstsein und politische Bildung - Zum Sinnbild „Herrschaftslegitimation“. In: Oberreuter, H. (Hrsg.): Standortbestimmung Politische Bildung. Schwalbach/Ts., 139-149.
  • Merkel, W. / Krause, W. (2015): Krise der Demokratie? In: Merkel, W. (Hrsg.): Demokratie und Krise. Zum schwierigen Verhältnis von Theorie und Empirie. Wiesbaden, 7-42.

 

Weitere Forschung

Felix Ludwig (Uni Münster)
Jan Weyland (Uni Münster)
Die „Politik der politischen Bildung”: AfD und politische Bildung in den Landesparlamenten

Politische Bildung inner- und außerhalb von Schule hat neuerdings eine hohe politische Salienz, die vor allem auf die neue parlamentarische Präsenz der Partei Alternative für Deutschland (AfD) in beinahe allen deutschen Landesparlamenten zurückzuführen ist (Decker 2016; Bebnowski 2015; Schillo 2017). Diese Partei thematisiert die politische Bildung im Rahmen ihrer oppositionellen Strategie in den Landtagen durch eine hohe Aktivität im Bereich der parlamentarischen Anfragen, aber auch im Kontext von Plenardebatten (Schroeder et al. 2017).
Im vorgestellten Projekt wird eine systematische Analyse als Vollerhebung der parlamentarischen Aktivitäten der AfD auf Landesebene vorgestellt (2015-2017). Dafür wurden parlamentarische Anfragen (n=6102) der aktuellen Legislaturperioden in allen Landesparlamenten quantitativ sowie die Plenarprotokolle der Landtage von Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt (n=68) qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet.
Mit diesem Vortrag möchten wir die Ergebnisse unserer Forschung präsentieren und mit Bezug auf die im Call adressierte gesellschaftliche und politische Transformation als Kontext von heutiger „Politik der politischen Bildung“ mit den Kolleg*innen diskutieren.

Literatur:

  • Bebnowski, D. (2015): Die Alternative für Deutschland. Aufstieg gesellschaftliche Relevanz einer rechten populistischen Partei. Wiesbaden.
  • Decker, Frank (2016): Die »Alternative für Deutschland« aus der vergleichenden Sicht der Parteienforschung. In: Häusler, A. (Hrsg.): Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung. Wiesbaden, 11–23.
  • Schillo, J. (2017): Für einen schwarzrotgoldenen Schlussstrich. AfD und politische Bildung. In: AUSSERSCHULISCHE BILDUNG. 2, 51–57.
  • Schroeder, W. / Weßels, B. / Neusser, C. / Berzel, A. (2017): Parlamentarische Praxis der AfD in deutschen Landesparlamenten. WZB Discussion Paper.

 

Weitere Forschung

Prof. Dr. Monika Oberle (Uni Göttingen)
Nico Wenzel (Uni Göttingen)
Politisches Vertrauen und Effektivitätsgefühl

Wie auch in anderen westlichen Demokratien ist in Deutschland heute eine wachsende Entfremdung
zwischen Bürger*innen und ihren Vertreter*innen zu beobachten, die sich u.a. in Wahlerfolgen populistischer Parteien insbesondere des rechten Randes niederschlägt. Als Aspekt dieser Entfremdung wird ein Vertrauensverlust in parteienstaatliche Institutionen (Parlament, Regierung) und Akteure (Parteien) konstatiert. Politisches Vertrauen als Element diffuser Systemunterstützung (Easton 197S) gilt als wichtiger Bestandteil sozialen Kapitals einer Gesellschaft (Putnam 1993). Vertrauen ist daher ein Aspekt der politikbezogenen Einstellungen, die Politikunterricht fördern soll (Detjen et al. 2012). Politikunterricht zielt auch auf die Förderung motivationaler Orientierungen, darunter das politische Effektivitätsgefühl (ebd.; politica/efficacy, Vetter 1997). Studien weisen darauf hin, dass die politische Effektivitätsüberzeugung die Partizipationsbereitschaft positiv beeinflusst (Dalton/Klingemann 2007; Oberle 2018). Die Konzepte politisches Vertrauen und Effektivitätsgefühl werden in der Literatur oftmals vermischt (Weßels 2009). Unklar ist der empirische Zusammenhang zwischen politischem Vertrauen und Effektivitätsgefühl. Forschungsbedarf besteht darüber hinaus hinsichtlich der Determinanten von Vertrauen und Effektivitätsgefühls bei Schüler*innen sowie deren jeweiliger Relevanz für ihre politische Partizipation. Fragestellungen: In welchem Zusammenhang stehen politisches Vertrauen und politisches Effektivitätsgefühl von Schüler*innen? Wie beeinflussen (subjektives) politisches Wissen und politische Partizipationserfahrung das institutionelle Vertrauen, auch unter Kontrolle soziodemographischer Hintergrundvariablen? Welche Effekte zeigen sich auf die politischen Partizipationsbereitschaften der Jugendlichen?
Mit einem schriftlichen standardisierten Fragebogen wurden im Herbst 2017 18 Klassen der 10. bis 13. Jrgst. an 13 Gymnasien und Gesamtschulen (N=333) befragt. Faktorenanalysen untersuchen zunächst die Abgrenzbarkeit der Konstrukte politisches Vertrauen und politisches Effektivitätsgefühl. Anschließend werden Korrelationsanalysen zum Zusammenhang von politischem Vertrauen, internem und externem Effektivitätsgefühl durchgeführt. Mit Regressionsanalysen und Strukturgleichungen werden schließlich Einflussfaktoren und Wirkungen des politischen Vertrauens und Effektivitätsgefühls der Schüler*innen mdelliert.

Literatur:

  • Dalton, R. J. / Klingemann, H.-D (2007): Citizen Attitudes and Political Behavior. In: Dalton, R. J. / Klingemann, H. D. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Political Behavior. Oxford, 3-26.
  • Detjen, J. / Massing, P. / Richter, D. / Weißeno, G. (2012): Politikkompetenz - ein Modell. Wiesbaden.
    Fuchs, D. / Gabriel, O. W. / Völkl, K. (2002): Vertrauen in politische Institutionen und politische Unterstützung. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. 31 (4), 427-450.
  • Oberle, M. (2017): Politisches Effektivitätsgefühl von Schüler/-innen. Struktur, Determinanten und
    Veränderbarkeit einer motivationalen Facette politischer Kompetenz. In: Manzel, S. / Oberle, M. (Hrsg.): Kompetenzorientierung - Potenziale zur Professionalisierung der PB. Wiesbaden, 85-97.
  • Vetter, A. (1997): Political Efficacy - Reliabilität und Validität, alte und neue Messmodelle im Vergleich. Wiesbaden.