Abstracts Poster I

Politikdidaktische Theoriebildung

Kerstin Vennemeyer (Universität Vechta)
Inklusion – Politische Bildung – Intersektionalität

Das auf dem Poster präsentierte Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit inklusiver politischer Bildung. Zunächst wird die Ausgangslage erläutert, in der sich die drei Schlagworte des Titels verorten lassen. Die Debatte um Inklusion innerhalb der Fachdidaktik Politik steht noch am Anfang, Analysen von sozialen Ungleichheiten finden oft wenig Raum. Durch einen Vergleich der Ziele, Aufgaben und Herausforderungen von Inklusion und politischer Bildung wird deutlich, dass beide Begriffe sich mit gesellschaftlichen Strukturen und Menschen, die in diesen leben befassen. Ausgehend von der These, dass sich Ungleichheitserfahrungen in die Identitäten der Lernenden einschreiben, miteinander verwoben sind und sich auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse beziehen, werden die Fragestellungen des Dissertationsprojekts vorgestellt. Zum Abschluss wird das methodische Vorgehen mit einer intersektionalen Analyse nach Degele und Winker erläutert.

Literatur:

  • Degele, N. / Winker, G. (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld.
  • Kronauer, M. (2015): Politische Bildung und inklusive Gesellschaft. In: Dönges, C. / Hilpert, W. / Zurstrassen, B. (Hrsg.): Didaktik der inklusiven politischen Bildung. Bonn, 18-29.
  • Wansing, G. (2015): Was bedeutet Inklusion? Annäherung an einen vielschichtigen Begriff. In: Degener, T. / Diehl, E. (Hrsg.): Handbuch Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht - Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. Bonn, 43-54.

 

Elia Scaramuzza (Universität Mainz)
Erziehung zur (Un-)Mündigkeit? Zur Dialektik Politischer Bildung

Nicht nur an der Indienstnahme politischer Erziehung im 19. und 20. Jahrhundert zeigt sich, dass Politische Bildung nicht per se Mündigkeit unterstützt. Bis heute durchziehen die Ausgangspunkte und Ziele politischer Bildung – Mündigkeit, Aufklärung, Autonomie, Emanzipation, Freiheit, Selbstbestimmung – eine Widersprüchlichkeit, in der sowohl Autonomie ermöglichende als auch verhindernde Momente (Instrumentalisierung) sichtbar werden. Die aktuellen Versuche, eine kritisch-emanzipatorische politische Bildung zu begründen, sind hierfür paradigmatisch. Diese Ausgangskonstellation – den eigenen Anspruch auf „Anstiftung zur Freiheit“ (Sander 2005) sowohl einzulösen als auch zu unterwandern – steht als Dialektik mündigkeitsorientierter Politischer Bildung im Mittelpunkt meines aktuellen Promotionsvorhabens. Die Poster-Präsentation stellt zentrale Thesen des Promotionsprojektes vor und diskutiert diese unter Bezugnahme auf die bildungstheoretischen Ausführungen von Theodor W. Adorno und die politisch-theoretischen Überlegungen von Hannah Arendt. Diskutiert wird so, wie die Dialektik von (Un-)Mündigkeit autonomieförderlich gestaltet sein kann und warum Mündigkeit Politische Bildung voraussetzt.

Literatur:

  • Adorno, T. W. (1971): Erziehung zur Mündigkeit: Vorträge und Gespräche mit Hellmut
    Becker 1959 bis 1969. Frankfurt am Main.
  • Arendt, H. (2007): Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlass. München.
  • Sander, W. (2005): Anstiftung zur Freiheit. Aufgaben und Ziele politischer Bildung in einer Welt der Differenz. In: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik. 2, 8-13.

 

Anna Stephanie Krekeler (Universität Mainz)
Nachhaltigkeitskonzepte in der politischen Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die Rolle der politischen Bildung für die Bildung für nachhaltige Entwicklung ist kaum zu unterschätzen. Um das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung politisch umzusetzen, bedarf es einer lebendigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Ziele von Nachhaltigkeit und ihrer Umsetzung. Es ist die Aufgabe der politischen Bildung, die Bürger*innen zur Partizipation daran zu befähigen.
In der Politikdidaktik wurden verschiedene Ansätze einer politischen Bildung für nachhaltige Entwicklung erarbeitet (siehe Peter/Moegling/Overwien 2011; Brunold/Ohlmeier 2015). Sie basieren auf verschiedenen theoretischen Konzepten von Nachhaltigkeit, die in der Wissenschaft kontrovers diskutiert werden. Das Poster präsentiert eine kritische Analyse der rezipierten Konzepte als theoretische Grundlage für ein Dissertationsprojekt, dass sich mit der Frage nach den Konzepten von Nachhaltigkeit und BNE von Lehrkräften als den Fächern Biologie und politische Bildung beschäftigt.

Literatur:

  • Ohlmeier, B. / Brunold, A. (2015): Politische Bildung für nachhaltige Entwicklung. Eine Evaluationsstudie. Wiesbaden.
  • Peter, H. / Moegling, K. / Overwien, B. (2011). Politische Bildung für nachhaltige Entwicklung. Immenhausen.

 

Heike Flindt (Universität Vechta)
Martha Nussbaums Argument für eine lebendige Demokratie

„Wie kann politische Bildung zur konstruktiven Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels beitragen?“ Um diese Frage zu erörtern, ist es hilfreich, Martha Nussbaums politisches Denken heranzuziehen. Sowohl ihr demokratiepädagogischer Zugang als auch ihre originelle Weise, demokratietheoretische Grundlagen zu reflektieren, zielen darauf ab, Demokratien konstruktiv zu gestalten. Nussbaum konstatiert, dass sich Bildungsinstitutionen zu sehr den Zielen wirtschaftlicher Entwicklung verschreiben, ohne zu durchdenken, wie kritisch diese Engführung sein kann. In dieser Perspektive entwickelt die Amerikanerin demokratiestärkende Bildungsinhalte und untermauert diese mit reformpädagogischen Ansätzen. Da politisch gebildete Gesellschaften – so Nussbaum – selbst ihren Wohlstand besser sichern können als profitorientierte Gesellschaften, die sich allein an Bilanzen orientieren, werden in dieser Forschungshinsicht die Tragfähigkeit und der Nutzen substanzreicher politischer Bildung zu erörtern sein.

Literatur:

  • Hennis, W. (2000): Politikwissenschaft und politisches Denken. Politikwissenschaftliche
    Abhandlungen II. Tübingen.
  • Himmelmann, G. (2001): Demokratie Lernen als Lebens-, Gesellschafts- und
    Herrschaftsform. Schwalbach/Ts.
  • Nussbaum, M. (2012): Nicht für den Profit – Warum Demokratie Bildung braucht. Überlingen.

 

Katarina Marej, Gerrit Tiefenthal, Kevin Brandt (Uni Münster)
ZUNAMI: Zusammenhaltsnarrative zusammen erarbeiten für eine anschlussfähige politische Bildung in der Dortmunder Stadtgesellschaft

Im ZUNAMI-Projekt untersuchen wir, ob und wie es einer immer wieder neu zu aktualisierenden gesellschaftstheoretischen Begründung der jeweils aktuellen Ziele, Inhalte und Methoden politischer Bildung bedarf. Wie kann den Tendenzen einer gesellschaftlichen Spaltung wirksam begegnet werden? In einem partizipativen Forschungssetting werden in moderierten Gruppenwerkstätten Bürger*innen sowie Stakeholder im Bildungssystem über Zusammenhalt in der heterogenen Stadtgesellschaft diskutieren, um belastbare Narrative gesellschaftlicher Kohäsion (Zusammenhaltsnarrative) zu erarbeiten. Diese werden wissenschaftlich aufgearbeitet und die Ergebnisse wiederum durch Bürger*innen und Stakeholder bewertet.
Die Rekonstruktion der Inhalte sowie der Prozesse der Entstehung dieser Zusammenhaltsnarrative bilden die Grundlage für eine weitergehende didaktische Aufarbeitung, um das Aushandeln und Explizieren von demokratischer Bindung und identitätsbezogenen Grenzziehungen unter Krisenbedingungen zu explorieren

Literatur:

  • Hooghe, M. (Hrsg.) (2011): Social cohesion. Contemporary theoretical perspectives on the study of social cohesion and social capital. Brussel.
  • Putnam, Robert (2001): Bowling Alone. The Collapse and Revival of American Community. New York.
  • Zick, Andreas/Küpper, Beate (2012): Zusammenhalt durch Ausgrenzung? Wie die Klage über den Zerfall der Gesellschaft und die Vorstellung von kultureller Homogenität mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zusammenhängen. In: Heitmeyer, W. (Hrsg.): Deutsche Zustände. 10. Berlin, 152-176.

 

Forschung zur Schule als Institution

Astrid Hoffmann (TU Dortmund)
Wie kann man den Demokratiegehalt von Schulen erfassen? - Ein Vorschlag

Die Forderung nach Demokratie an Schulen erfreut sich immer größerer Beliebtheit und ist unter anderem mit der Hoffnung auf eine höhere Demokratiekompetenz der Schüler*innen verbunden. Es fehlt jedoch an einer einheitlichen Definition darüber, was mit schulischer Demokratie konkret gemeint ist und wie sie sich erfassen lässt. Ein zentrales Ziel meiner Arbeit ist es deshalb, einen Kriterienkatalog für innerschulische Demokratie zu entwickeln. Hierzu werden die Kriterien politikwissenschaftlicher Demokratie-Indizes, die den Demokratiegehalt von Staaten erfassen, mithilfe eines funktionalen Verfahrens auf die Institution Schule übertragen. Der Kriterienkatalog wird anschließend mit bisherigen Ansätzen aus Demokratiepädagogik und Politikdidaktik verglichen und exemplarisch auf eine staatliche Schule und eine freie Alternativschule angewandt. Des Weiteren wird diskutiert, inwiefern aus den Kriterien ein Index zur numerischen Messung des Demokratiegehaltes von Schulen gebildet werden kann.

Literatur:

  • Bertelsmann Stiftung (2016): Transformation Index BTI 2016. Political Management. In: International Comparison. Gütersloh.
  • De Haan, G. / Edelstein, W. / Eikel, A. (2007): Qualitätsrahmen Demokratiepädagogik. Demokratische Handlungskompetenz fördern. Demokratische Schulqualität entwickeln. 1-7. Weinheim/Basel.
  • Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V. (2016): Merkmale demokratiepädagogischer Schulen. Ein Katalog. Berlin/Jena.

 

Forschung zu den Adressaten politischer Bildung

Anja Bonfig (Uni Köln)
Weil die müssen auch neue Häuser und so bezahlen, für andere Menschen. Ich glaube Hartz vier oder so – Vorstellungen von Schüler*innen über Phänomene aus dem Feld sozialwissenschaftlicher finanzieller Allgemeinbildung (Erste Ergebnisse zum Phänomen "Steuern")

Forderungen nach mehr finanzieller Allgemeinbildung basieren häufig auf Erhebungen, die den Wissensstand diverser Gruppen als bedenklich einstufen (vgl. u.a. Leinert 2004; ING-DiBa 2013).Die Diskussion, welche Inhalte thematisiert und welche Kompetenzen mit einer schulischen finanziellen (Allgemein-) Bildung erreicht werden sollen findet dabei z.Z. vorrangig in der ökonomischen Bildung statt (z.B. bei Kaminski / Friebel 2012).Die der Erhebung zugrundliegenden Arbeit jedoch verankert finanzielle Allgemeinbildung in einer sozialwissenschaftlichen Bildung. Somit sind neben wirtschaftswissenschaftlichen auch politische und sozilogische Perspektiven und Theorien zu berücksichtigen. Auf dieser Basis werden die Vorstellungen von Schüler*innen (mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen und/oder emotionale soziale Entwicklung) betrachtet. Erste Ergbenisse zu den Vorstellungen der Schüler*innen über „Steuern“ werden im Rahmen der Posterpräsentation der GPJE Jahrestagung im Mainz vorgestellt, die durch die qualitative Inhaltsanalyse (nach Mayring 2015) identifiziert werden konnten. Diese Ergebnisse zeigen bereits, welchen Einfluss gesellschaftliche Veränderungen auf die Vorstellungen von Jugendlichen haben.

Literatur:

  • ING-DiBa (2013): Deutsche mit geringster Finanzbildung in Europa. Frankfurt am Main.
  • Kaminski, H. / Friebel, S. (2012): Arbeitspapier "Finanzielle Allgemeinbildung als Bestandteil der ökonomischen Bildung". Oldenburg.
  • Leinert, J. (2004): Finanzieller Analphabetismus in Deutschland: Schlechte Voraussetzungen für eigenverantwortliche Vorsorge. vorläufige Version. Vorsorgestudie. Gütersloh.
  • Mayring, P. (2015): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12. Aufl. Weinheim.

 

David Jugel (TU Dresden), Tina Hölzel (TU Dresden)
„Da kannst du Freunde verlieren“  Ergebnisse und Paradoxien einer Begleitstudie zu inklusiver politische Bildung

Das Poster soll erste Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Begleitstudie des Projekts „Lernort Stadion“ vorstellen. Kernfragestellung der Studie – die vom Zentrum für inklusive politische Bildung durchgeführt wurde - war dabei, wie politische Bildung in inklusiven Lernsettings gelingen kann und welche Herausforderungen in diesem Zusammenhang sichtbar werden. Ein zentraler und gleichzeitig überraschender Befund ist, dass Jugendliche bestimmte Angebote zur politischen Bildung als beziehungsgefährdend einschätzen und zwar auch und gerade dann, wenn diese bestimmte Interessenbereiche der Jugendlichen trifft. Das Poster soll neben methodischen Hinweisen hinsichtlich des partizipativen und gestaltungsorientieren Vorgehen solche und andere kontroverse Ergebnisse als Diskussionsgrundlage abbilden.

Literatur:

  • Besand, A. / Hölzel, T. / Jugel, D. (2018): Inklusives politisches Lernen im Stadion. Frankfurt.
  • Unger, Hella von (2014): Partizipative Forschung. Einführung in die Forschungspraxis. Wiesbaden.
  • Euler, D. / Sloane, P. F. E. (Hrsg.) (2014): Design-Based Research. Stuttgart.